Rückblick

Eine Zusammenfassung der Jahrestagung "Umbrüche. Freie Darstellende Künste zwischen Peripherie und Metropole" des Bundesverband Freier Theater von Tom Mustroph.

Was könnte Theatermacher auf dem Lande mit Theatermachern in den Metropolen verbinden, was über die banale Feststellung hinausgeht, jeweils Theater zu machen und - meist - zu wenig Geld dafür zu haben?, lautete die Ausgangsüberlegung der Fachtagung des Buft in Bremen im Dezember 2012.

Es fanden sich tatsächlich Anknüpfungspunkte. Die Praxis von EuKitea, einem kurz vor Augsburg gelegenen Kinder- und Jugendtheater veranschaulichte das Potential der Stadt-Land & Land-Stadt-Perspektive geradezu beispielhaft. Der Neubau des Theaters - unterstützt von Mitteln der Kommune, des Landkreises und des Landes - führte zu einem idealen Produktions- und Aufführungsort, der durch Workshop-Angebote auch tagsüber zu einem Anlaufpunkt der lokalen Bevölkerung wird. Dennoch wird der unmittelbare Einzugsbereich von den Theatermachern nur für eine vergleichsweise geringe Anzahl von Aufführungen (60 Vorstellungren pro Jahr) als ausreichend eingeschätzt. Eine wesentlich größere Anzahl (ca. 450) findet außerhalb der Spielstätte statt, oft in größeren Städten, ca. 120 Vorstellungen auch in Berliner Schulen. Die Vorzüge vom Land - geringere Immobilienpreise, durchaus Ansiedlungsinteresse für Kulturinitiativen seitens einzelner lokaler Politiker - und die von der Stadt - höhere Bevölkerungsdichte, daher größeres Zuschauerpotential - werden hier miteinander verbunden, und die Nachteile - weniger Zuschauer auf dem Lande, höhere Produktionskosten in der Stadt - relativiert. Die Praxis des Eukitea sollte daher ermutigend wirken, Überlegungen zur besseren Ausnutzung der Unterschiede von Stadt und Land anzustellen und diese in Handlungen zu überführen.

Martin Zepter von der theatralen Subversion - derzeit im Doppelpass-Programm der Bundeskulturstiftung mit dem Projekttheater Dresden verbunden - schlug langfristige Programme (5, 10, 15 Jahre) zur Etablierung von Produktionsstrukturen auf dem Lande vor. Dies könnten dauerhaft genutzte Strukturen von Gruppen und Künstlern, die sich für einen Umzug aufs Land entscheiden, sein. aber auch temporär genutzte Probenräume sowie Residenzorte. Zepter regte die Gründung eines Vereins an, der sich zum Ziel setzen sollte mittelfristig in Kleinstädten 2.000 Residenzen zu errichten. Argumentation: In vielen Städten stehen aufgrund von Bevölkerungsweggang Wohnungen leer. Diese könnten unaufwendig in Residenzorte umgewandelt und Künstlern zur Verfügung gestellt werden. Spenden von lokalen Unternehmern könnten zu monatlichen Stipendien in Höhe von 2.000 Euro führen. Die Künstler könnten eine Funktion analog zu Stadtschreibern - Stadtperformern – einnehmen. Zu klären wäre im Einzelfall, ob und in welchem Maße Interventionen und Präsentationen erwartet werden. Vorteil für die Städte wären zusätzliche kulturelle und künstlerische Aktivitäten, ein verstärkter Anschluss an die nationale und internationale Kunstszene.

Auch eine verstärkte Gastspieltätigkeit in beide Richtungen hielt Zepter für sinnvoll. Gruppen aus den urbanen Zentren sollten sich neue Publika erschließen. Sie sollten in dieser Hinsicht aktiv werden auch ohne einen Anreiz durch zusätzliche Förderung, meinte er. Gruppen aus dem ländlichen Raum könnten durch intensiveren Austausch mit den Szenen in den Städten selbst künstlerische Impulse erfahren.

Der Wunsch nach verstärkter Gastspieltätigkeit ist zumindest zum Teil vorhanden, scheitert aber oft am mangelnden Wissen um Ansprechpartner vor Ort, führte Lea - Sophie Schiel von Dramazone als Hemmnis an. Auch die Berliner Performerin Bridge Markland beklagte diese Lücke.

Hier ist eine stärkere Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen als Träger eines breiten Netzwerkes von Kulturstätten notwendig. Signale für Zusammenarbeit in dieser Hinsicht kamen von einzelnen Vertretern, etwa Susanne Brauer, Mannheim, Hartmut Alker, Baden-Württemberg. Zu beobachten ist allerdings auch eine gewisse Zurückhaltung einzelner Gruppen, die bereits auf dem Lande tätig sind, aufgrund der Befürchtung, dass neue Akteure ihnen Ressourcen streitig machen könnten. Es ist allerdings anzunehmen, dass stärkerer Austausch und intensivere Bewegungen für die meisten Akteure zu einer positiven Entwicklung führen könnten.

Bei aller Diskussion um neue Förderanreize und bessere Strukturen im Stadt-Land-Verhältnis ist jedoch daran zu erinnern, dass es zunächst der ureigene Antrieb der Theaterkünstler selbst sowie individuelle Umstände und Lebensentscheidungen waren, die sie aufs Land brachten und sie zu ihren künsterischen, organisatorischen und unternehmerischen Tätigkeiten führten. Strukturelle Überlegungen, die nur am grünen Tisch gemacht werden, dürften ohne dieses je individuelle und eben nicht von oben diktierbare Engagement kaum zum Erfolg führen. Die Stärke des Theaters auf dem Lande besteht zunächst in der Kraft und Entschlossenheit ihrer Protagonisten. Erfolgreich werden können sie jedoch erst mithilfe positiver Resonanz bei lokalen Vertretern von Politik und Verwaltung.

Impressionen der Jahrestagung des Bundesverband Freier Theater